Sehr sehr lange geschlafen. Elfeinalb Stunden. Musste mich regelrecht aus dem sich immer wiederholenden Wegsinken rausheben, mir einen Ruck geben, um endlich aufzustehen. Setzte mich auf die Bettkante. Kurze Zeit darauf stand ich auf, benommen vom Schlaf und kurbelte die Rolläden hoch.
Blauer Himmel, Licht, Sonne. Und ich hatte mich den halben vormittag schon im Dunkel vergraben, denke ich.
Ich werde heute ohnehin nicht viel von der Sonne sehen. Heute nachmittag steht der Yoga-Workshop an. Der findet ja auch in Innenräumen statt, nicht draußen, in keinem Park wei den Bois de Boulogne oder den Bois de Vincennes. LEtzteren hab ich noch gar nicht besucht. Sitze jetzt bei einer Tasse schwarzen Kaffee am großen Glastisch im geräumigen Ess- und Wohnzimmer. Mit jedem Schluck Kaffee, mit jedem Atemzug, und jedem Ticken der Uhr werde ich wacher.
Eine Uhr ticken hörte ich schon lange nicht mehr. Das Ticken der Uhr kommt mir irgendwie altmodisch vor. Meine Oma, die schon lange nicht mehr lebt, hatte eine solche Uhr. Und meine entfernte Verwandte, ich glaube eine Cousine über viele Ecken, in Eisenach auch. Sie lebt noch, aber ist schon alt. Das Ticken der Uhr, empfinde ich angenehm, gemütlich, ja beruhigend. Und wie als verginge die Zeit langsamer, wenn man sie verstreichen hört. Wenn die Zeit sonst immer zu fliegen scheint, und dann der Satz: "schon wieder ein Jahr rum..." trifft sie jetzt in diesem Tick, Tick auf die Gegenwart. Ist nicht schon vergangen, sondern ist jetzt, wahrnehmbar.
Vielleicht finde ich das Ticken der Uhr aber auch schlicht deswegen angenehm, weil ich tickende Uhren immer bei älteren Menschen gesehen, gehört habe. Meine Oma, die Groß-groß-Cousine, Onkels,... Bei älteren Menschen geht ja alles gemütlicher, langsamer zu. Sitzen da, als hätten sie alle Zeit der Welt plötzlich am Ende des Lebens, müssten nichts mehr ganz schnell wollen und machen, sondern sitzen da am Tisch, und haben Zeit. Und sagen doch, jetzt bin ich "schon" alt.
Ich trinke jetzt eine zweite Tasse Kaffee und frühstücke was.
yvelor - 11. Nov, 10:38
Morgen ist in Frankreich Nationalfeiertag. Am 11.11.1918 wurde bekanntlich der Waffenstillstand unterzeichnet, mit dem das Ende des 1. Weltkriegs beschlossen worden war.
Letzte Woche erklärt mir ein Kollege, "es geht nicht so sehr darum, den Sieg über Deutschland, und die Niederlage Deutschlands zu triumphieren. Es geht uns vielmehr darum, an der Opfer und gefallenen Soldaten zu gedenken." Ihm war es sehr wichtig, dass ich das nicht falsch verstehe mit dem "Armistice".
Habe heute den Kollegen "Joyeux Armistice" gewünscht, also fröhlicher Waffenstillstand, was nicht ganz passend war, wie ich schon merkte, als mein Satz noch nicht zu Ende war. Ich wollte eigentlich nur einen schönen Feiertag wünschen. Hätte den "Armistice" aber lieber raus lassen sollen. Die Kollegen schauten mich denn auch mit großen Augen an, ohne etwas zu erwidern. Ich wollte die etwas peinliche Situation schnellstmöglich beenden und setzte schnell hinzu, dass wir ja gestern schon unsere Feierlichkeiten hatten. 25 Jahre Mauerfall.
Der Themawechsel gelang. Sofort redeten wir über Berlin und was Berlin an Interessantem zu bieten hat. Geschichtsträchtige Stadt. Man war wieder gesprächig. Gut, dass ich da nochmal die Kurve vom Waffenstillstand zum Mauerfall in Berlin geschafft habe..
Morgen also hab ich frei wegen des "Armistice".
Bin morgen für einen Yoga-Workshop angemeldet. Am Nachmittag. Drei Stunden dauert der. Danach werde ich sicherlich tiefenentspannt sein.
yvelor - 10. Nov, 20:01
Zum Mitnehmen kriegt man in Paris an jeder Ecke und in jedem Viertel was. Und von bester Güte. Ja, mir geht es richtig gut in Paris, gehöre ich doch zu jenen, die sich wenig Zeit zum Einkaufen und zum Kochen nehmen. Abends nach der Arbeit, will ich oft noch zum Sport oder ich schlendere noch lange irgendwo durch die Straßen der Stadt, gestern mit Anna.
Gleich neben meiner Unterkunft in der Rue Parmentier gibt es drei Imbiss-Läden: eine Crêperie, ein chinesisches Restaurant. und ein vietnamesicher Laden. Bei letzterem kaufte ich schon mehrmals. Hinter der Glasvitrine stehen Teller und Schüsseln, gefüllt mit verschiedenen Gerichten: Frühlingsrollen, Salat, Glasnudelgerichte, Reis, Hühnchenragout, und was es da alles gibt. Alles schmeckt köstlich.
In der Rue Oberkampf geht es weiter mit tollen kulinarischen Angeboten, auch findet man in dieser Straße edlere Feinkost-Take-Away-Läden; das reine Paradies. Morgen will ich die sizilianischen Reiskugeln kaufen. Dann gibt es eine Pâtisserie, deren Pralinen ich demnächst kosten will, am besten auch gleich morgen, und eine Bäckerei, in der immer eine Schlange steht. Das heißt sicher was. Die Backwaren lachen mich jedes Mal an, wenn ich vorbeigehe. Das Brot dort und vielleicht auch die Pain au Chocolats muss ich probieren.
Mmhh.
Und ach ja, dann die bunten Maccarons, die kleinen, bunten, runden Gebäcke.. mit Erdbeeraroma in rot, Zitronenaroma in gelb, .... mmhh in tausend Farben und Geschmacksrichtungen... alles zum Mitnehmen.
yvelor - 29. Okt, 21:53
Noch ist es nicht kalt in Paris. Die Temperaturen laden zum Wandern durch die Stadt ein. Am Vormittag arbeitet ich ein wenig. Gegen Mittag trieb es mich raus und ich entschied mich einen Spaziergang zum Friedhof Père Lachaise zu machen, im Osten der Stadt und nicht weit vom Hotel. Ich weiß nicht mehr wie lange ich brauchte bis ich die Friedhofsmauern erreichte. Vielleicht 15 Minuten.
Das Wetter hellte sich auf. Die Sonne kam raus, und schien warm. Ich trug meine lange Strickjacke.
Viele Touristen drangen in den Friedhof, gesprochen wurde italienisch, deutsch, spanisch, englisch gesprochen, französisch. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass so viele Besucher hierherkamen. Aber überraschend ist es dennoch nicht, ruhen hier doch Berühmtheiten wie Jim Morrison, Edith Piaf, Molière, Honoré de Balzac und viele andere bekannte Künstler, Dichter, Naturwissenschaftler, Physiker, Philosophen, Maler.
Die Grabstätten waren so groß fast wie Häuser. Die Wege gepflastert und breit, und es kam mir vor als folgte ich richtigen Straßen, wie in einer Stadt. Der Parkfriedhof, eine Stadt in der Stadt. Hohe Bäume standen zwischen den Gräberreihen und warfen ihre wohligen Schatten auf die Toten und Lebendigen.
Nach einer Weile langsamen Dahinschreitens erreichte ich die Kapelle auf einer kleinen Anhöhe. Der Platz davor war frei, mit Rasen und Blumen bewachsen. PArkbänke luden zum Verweilen ein und so setzte ich mich auf eine Bank, von wo aus ich einen kleinen Ausschnitt des südlichen Paris sehen konnte, und die Sonne direkt in mein Gesicht schien. Ich war müde und genoss es, ausruhen zu können. Ich blieb lang so sitzen. Alles schien gut und in Ordnung.
yvelor - 26. Okt, 21:36
Ich wohne in den ersten Tagen meines Parisaufenthalts ganz in der Nähe des Platzes der Republik im 11. Arrondissment, im nordöstlichen Teil der Innenstadt. Östlich grenst das 20. Arrondissement an, südlich davon liegt die Bastille, die ins 12. Arrondissement öffnet, westlich gehts in Richtung Zentrum, das 3., das 2. und 1. Arrondissement. Nördlich von République beginnt der Canal St Martin, eine beliebte Laufstrecke für viele Jogger. Nördlich auch von République der Gare du Nord, der sämtliche Züge in die Vororte im Norden schickt, auch nach Sain-Denis, wo ich seit einer Woche täglich zur Arbeit gehe.
Saint-Denis ist ein Banlieue-Ort. Dort kann man sich durchaus unwohl fühlen, wenn man aus der Mittschicht stammt und eine helle Hautfarbe besitzt. Freunde, die in Paris gelebt haben, warnten mich eindringlich und mehrfach, micht nicht weiter dort aufzuhalten, Saint-Denis sei zu gefährlich. Ich will wachsam und vorsichtig sein aber nicht ängstlich.
Der Himmel ist so schön immer auf dem zehnminütigen Fußweg vom Bahnhof bis zum Bürogebäude. Blau, manchmal aber noch selten wolkenverhangen, und irgendwie nah.
Dabei hat Saint-Denis schöne Seiten und Sehenswürdigkeiten zu bieten. Eine Basilika, gotischer Stil aus dem frühen 12. Jahrhundert, heißt es im Du- Mont-Paris-Bildatlas. Und ein Friedhof der Könige gibt es dort zu besuchen.
Der Platz der Republik ist neu gestaltet worden, und erst seit etwa einem halben Jahr fertiggestellt. An diesem weiten, raumhaften, herrlichen Platz, brechen sich die Wellen der hektischen und lauten Straßen Paris' und schwappen zurück. Ich mag diesen Platz für seinen Raum, in dem unendlich viel reinzupassen scheint. Skater, die am Sonntag nachmittag ihre Sprünge üben. Gelbe Blätter. Einstiege in den Untergrund der Metro. Bänke, Menschen mit ihren tausend Gedanken...
Rund um den rechteckigen Platz verläuft eine Straße und reihen sich Geschäfte, Cafés, Bistros.
Das Viertel von Republique Richtung Osten, etwa mit der Rue Oberkampf vibriert mit vielen kleinen Shops und Läden, wieder Restaurants und Cafés. Ein lebendiges Viertel, auch ruppig, und abgeratzt bisweilen. Und immer ist da Bewegung. Republique.
yvelor - 21. Okt, 20:34